SICHTBARE UNSICHTBARKEIT

Wenn sie auch derzeit nicht im Rampenlicht stehen dürfen, die Sichtbaren im Theater sind die Schauspieler*Innen. Wir vom Stadttheater Bruneck haben beschlossen die Unsichtbaren ins Rampenlicht zu rücken, denn ohne sie könnten die Schauspieler*innen am Ende der Vorstellung weder ihren Applaus noch ihre Gagen abholen. Wer aber sind diese Unsichtbaren? All die Regisseure*innen, Bühnen-, Masken- und Kostümbildner*innen, die Choreographen*innen, musikalischen Mitarbeiter*Innen, Techniker*innen, die Hostessen an der Kassa, am Einlass und an der Theaterbar, die Raumpfleger*innen, die Präsidenten*innen, die Mitarbeiter*innen der Verwaltung und der Buchhaltung, die Regieassistent*innen, die Amateurschauspieler*innen… Das Theatermachen ist ein Prozess, an dem viele Hände -auf und hinter der Bühne- an einem Strang ziehen. Ganz egal ob beruflich oder ehrenamtlich, ob sichtbar oder unsichtbar. Theaterleute sind kreative Netzwerker, sie polarisieren und vereinen, sie regen an, sie wagen und lernen dazu, sie geben allen Gedanken einen Platz, lassen Neues entstehen und haben einen gemeinsamen Nenner: die Leidenschaft. Warum Theater, wurde Heiner Müller einmal gefragt, worauf er antwortete:“ Ich glaube die einzige Möglichkeit herauszufinden, was eine Antwort sein könnte, wäre, ein Jahr lang alle Theater der Welt zu schließen, dann weiß man hinterher vielleicht, warum Theater.“ Ich habe meine Antwort auf diese Frage bedauerlicherweise gefunden: mir fehlen die zufälligen Begegnungen, die Anregungen für neue Lebensinhalte, die unmittelbaren Erfahrungen. Ich vermisse die gemeinsame Begeisterung, den Austausch und die Diskussion. Ich freue mich brennend auf das Geschenk - ob als Schauspielerin oder als künstlerische Leiterin- das ich nach einem Theaterabend mit nach Hause nehmen darf. Ein emotionsgeladenes Geschenk an dem ich mich wann und wie oft ich will bedienen kann und merke, dass Kultur mich stark macht. Die sichtbaren Unsichtbaren sind viele… Wenn sich Südtirols Theatervorhänge wieder öffnen und das Unternehmen Theater mit der sichtbaren Unsichtbarkeit weiterbestehen soll, dann braucht es vor allem eines: viele Zuschauer!

Christine Lasta